Multiples Bruddeln und Symbadisieren
»Badischer Bahnhof« mit drei speziellen Fahrgästen
Gengenbach. »Badischer Bahnhof«: So hieß der siebte Akt im diesjährigen »Kultursommer«, der verflixt begann. Die miese Wetterprognose wog schwerer als badischer Optimismus, weshalb die Organisatoren sicherheitshalber vom Rathaus-Innenhof in den benachbarten Klosterkeller umzogen.
Dort warten, warten, warten und warten Helmut »de Hämme« Dold aus Kuhbach, Carsten Dittrich aus Oberkirch und Otmar »Bruddler« Schnurr auf ihren Zug nach Freiburg, der dann irgendwann einfährt – allerdings umso schneller und nicht planmäßig an Gleis 8, sondern an Gleis 3. Dittrich reagiert panisch, hat zudem das meiste Gepäck zu tragen, da er ohne seine Puppen aus dem Oberkircher Theater »Fiesemadände« nicht verreist. Als er seine sieben oder acht Sachen in den Koffer gequetscht hat, sprintet er los, um eine Minute später keuchend wieder bei den beiden anderen Vollblutbadensern zu stehen. Gerade klingt der Hinweis des Offenburger Bahnhoflautsprechers aus, wonach der Zug auf Gleis 3 abgefahren sei, da fragt Schnurr kopfschüttelnd: »Und? Het’s no greicht?« Der »Bruddler« macht das, was er am besten kann: Bruddeln. Erst recht, als Dold – wie immer hippelig vor lauter Tatendrang, wenn er auf einer Bühne mit Witzfreiheit steht, und euphorisch, wie Badenser nun mal in allen Lebenslagen sind – eine spontane badische Show mit den anderen Wartenden als Publikum vorschlägt. »Und mit multiplen Premieren«, so Dittrich begeistert. »Multiple, was heißt das?«, fragt Schnurr genervt. »Ihr seid zwei Künstler und ich aus Ottenhöfen«, winkt er ab. Überhaupt: »Wenn einer in dem Alter noch mit Puppen spielt, muss in der Kindheit was schiefgelaufen sein«, ätzt der »Bruddler« mit Blick auf Dittrich, ohne zu bedenken: Der Oberkircher studierte an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« Berlin in der Abteilung »Puppenspielkunst« und meisterte sein Diplom als »Darsteller/Puppenspieler« spielend. Entsprechend unbeirrt und professionell lässt der 35-Jährige seine Puppen tanzen, vor allem den elsässischen »Hans im Schnokeloch«, dazu den revolutionären Hecker und ein tierisches Klappermaul aus Preußen: »Ick glob, ne Meise zu kriegen, wenn ick dran denke, dass es in diesem Baden eine Wurst mit U jibt: »Uffschnitt!«
Wurst mit U: Uffschnitt. Aufschneider sind die drei aber nicht, dafür umso besser drauf. »Unterm Tisch isch au dahoim«, sagt Dold, als er seine Hommage »Der Badische als solcher« zelebriert – mit jener Leidenschaft, mit der der exzellente Jazz-Musiker per Trompete der Bahn den Marsch bläst. Sogar der »Bruddler« muss schmunzeln, als Dold dem Denglischen auf gut Badisch die Stirn zeigt. Noch was zeigen die Badenser – nämlich »denen in Stuttgart, dass ein Bahnhof auch für Umme unterirdisch und schnell verlegt werden kann«, wie Gerd Birsner zu den Besuchern witzelte. Der Kultursommer-Programmchef sagte dies zur Begrüßung lächelnd und tröstend, da längst ein verblüffend schöner Sommerabend draußen vor der Tür stand.
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